Darmstadt 98 ist wieder erstklassig und versetzt die Region in einen Freudentaumel

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Willkommen im Oberhaus

Pure Ekstase nach dem Spiel gegen Magdeburg: Als der Aufstieg feststand, brachen bei Fans und Spielern alle Dämme. Es war der Beginn einer riesigen Party, die mehrere Tage andauerte. Foto: Guido Schiek

Sie gehörte vermutlich zu den prägendsten Szenen des vorletzten Spieltages der Zweiten Fußball-Bundesliga. Nach dem Schlusspfiff im Spiel der Darmstädter gegen den 1. FC Magdeburg vergräbt Lilien-Torwart Marcel Schuhen, die Tränen nur schwer unterdrückend, sein Gesicht in den Händen. Jene Hände, mit denen er mit seiner fast übermenschlichen Zweifach-Glanzparade in der 75. Minute das 1:0 festhielt und spätestens da neben dem Torschützen Phillip Tietz zu einem der Helden des Aufstiegs avancierte. Dass Schuhen mit seinem Abstoß den letzten Ballkontakt hatte, ist bezeichnend wie vieles in der Saison, sein Niederknien am Ende sinnbildlich für die Erschöpfung und den Kraftakt, der am Ende notwendig war. Seine Parade war bezeichnend für den unerschöpflichen Kampfgeist der gesamten Mannschaft, die so manchen Rückschlag gut verkraftet und sich als stabile Einheit präsentiert hatte. Sich reinhängen für den Erfolg und die Mannschaft, das haben die Lilien auf und neben dem Platz verinnerlicht und vorgelebt.

Die phänomenale Unterstützung der Fans war ihnen sicher, genauso wie der fällige Platzsturm und der Freudentaumel, in welchem Darmstadt in den folgenden Tagen versank. Die Spannung, die sich über Wochen aufgebaut hatte, entlud sich. Denn auch wenn die Lilien gefühlt eine Ewigkeit auf Platz eins der Tabelle rangierten und es im Grunde nur eine Frage der Zeit schien, bis man sich ins Oberhaus schießen sollte, wurde es zum Schluss noch einmal spannend.

Schon gegen St. Pauli hatte man den Aufstieg auf den Fuß, musste sich aber vor heimischer Kulisse den Kultkickern aus der Hansestadt geschlagen geben. Böse durfte man den Spielern von St. Pauli trotz der guten Fanbeziehungen nicht sein. Denn schließlich ging es für die Hansestädter da um die Relegation. Derweil wollte sich Torsten Lieberknecht auf die viel beschworene Floskel vom vergebenen Matchball nicht einlassen, weil es einen solchen im Fußball, wie er zurecht anmerkte, nicht gibt. Es gehe um Punkte. Es galt, die Trauer hinsichtlich der vergebenen Chance beiseitezuschieben und die Niederlage schnell zu den Akten zu legen. Leider reichte es dann gegen Hannover wieder nicht, weil die Heinerstädter die zweite Niederlage in Folge kassierten. Zur Beruhigung der Nerven trug das zugegebenermaßen nicht bei. Dass man den Aufstieg am liebsten vor heimischer Kulisse statt in der Fremde dingfest machen wollte und deshalb den notwendigen Sieg noch einmal um einen Spieltag nach hinten schob, darf allerdings als abwegige Vermutung abgetan werden.

Aber die Erlösung folgte dann doch endlich, auch wenn dabei nur ein „dreckiges“ 1:0 heraussprang.

Aber das Glück ist bekanntermaßen mit den Tüchtigen. Und manchmal hilft der zuweilen sehr umstrittene VAR. Jener Videobeweis, der im Spiel gegen die Magdeburger die Führung bestätigte, nach der sich ganz Fußball-Darmstadt so gesehnt hatte. Denn ursprünglich hatte der Schiedsrichter das Tor von Tietz wegen einer vermeintlichen Abseitsposition von Tobias Kempe aberkannt. Der VAR offenbarte dann allerdings, dass ein am Boden liegender Magdeburger dieses Abseits zunichtemachte. Das Tor zählte. Manchmal müssen es eben solche Minimalergebnisse sein, die zum Erfolg führen. Und klar ist auch: Was die Zahl der Tore insgesamt angeht, rangieren die Lilien nicht an der Spitze. Schämen müssen sie sich dafür keinesfalls.

Denn solche Ergebnisse sind bei den Lilien Ausdruck einer gut funktionierenden Abwehrleistung. Mitreißend können solche Spiele auch sein. Das haben die Darmstädter in dieser Saison ebenfalls sehr häufig unter Beweis gestellt, weshalb sie verdientermaßen bis kurz vor Schluss an der Spitze der Zweiten Liga standen. Nur ein kleiner Wermutstropfen ist, dass sich die Heidenheimer buchstäblich in letzter Minute diese und damit die Meisterschaft in der Zweiten Liga unter den Nagel rissen. Die Leistung der Lilien schmälert das in keiner Weise. Gefeiert wurde trotzdem. Denn das hatte man sich verdient.

Säulen des Erfolgs

Ein Grund für den Erfolg: Der Verein steht mittlerweile auf einem stabilen Fundament. In letzterem sehen Experten und Fachmedien wesentliche Gründe für den Aufstieg. Fünf Säulen nannte kürzlich das Magazin Kicker auf seinem Online-Portal als Begründung für den Aufstieg. Eine davon ist der Trainer Torsten Lieberknecht, der wie die Faust aufs Auge zu den Lilien passt und schon mit Eintracht Braunschweig bewiesen hatte, dass er Aufstieg kann.

Hochgelobt wird allenthalben der große Teamgeist, der diese Mannschaft durchzieht und aufgrund dessen auch Routiniers sich nicht zu schade sind, auf der Bank platz-zunehmen, um anderen den Vortritt zu lassen. Der Star ist die Mannschaft. Ein Aspekt, der maßgeblich zur großen Identifikation der Fans mit ihren Lilien beiträgt.

Die Null muss stehen

Nicht zu vergessen ist wie erwähnt die Defensive. „Die Null muss stehen“, hatte einst Trainer-Legende Huub Stevens von sich gegeben. Bei den Lilien tat sie das. Und das brachte nicht wenige Gegner zur Verzweiflung. Als weiteren Faktor geben Experten den ausgewogenen Kader an, der dazu führte, dass auch Ausfälle etwa durch Verletzung gut kompensiert und Lücken schnell geschlossen werden konnten. In der Breite gut aufgestellt, nennt man so etwas wohl. Und schließlich ist da besonnen und ruhig agierende Umfeld, allen voran das Team um Präsident Rüdiger Fritsch. Eben jenes Umfeld, das nicht auf kurzfristige Erfolge hingearbeitet, sondern sich einer auf Langfristigkeit ausgelegten Planung verschrieben hat und vielleicht gerade deshalb gerade jetzt so erfolgreich ist. Vergessen werden darf dabei nicht: Der SV hat einen im Vergleich zu anderen Vereinen eher überschaubaren Etat.

Aber hier weiß man eben auch mit begrenzten Mitteln umzugehen. Stabilität und Kontinuität erweisen sich als Begriffe, die immer und immer gepredigt werden und die gerade hier in Darmstadt keine Floskeln, sondern glaubwürdige und gelebte Maximen sind.

Es kommt nicht von ungefähr, dass Präsident Fritsch kürzlich, wie auch in den Echo-Medien nachzulesen war, bekräftigte: „Wir müssen es schaffen, dass dieser Verein so stabil ist, dass er unabhängig ist von sportlichen Erfolgen.“ Zusammenhalt, Respekt, gegenseitige Wertschätzung führte er als elementare Notwendigkeiten an. Eben diese Wertschätzung, der Respekt und der Zusammenhalt zeigten sich nicht erst nach dem verdienten Aufstieg, sondern die gesamte Saison über.

Bei aller Sachlichkeit und guten Arbeit, die in den vergangenen Wochen, Monaten und Jahren geleistet wurde: Jetzt darf erst mal gefeiert werden. Denn dazu gibt es Anlass genug. Zumindest bewies der Verein mit dem Aufstieg perfektes Timing. Der fiel zusammen mit dem 125. Geburtstag des Vereins und dem Schlossgrabenfest. Und dass auch die Fertigstellung des Stadionumbaus, obgleich früher geplant, im Jahr des neuerlichen Aufstiegs gelang, passt. Der wurde unabhängig von einer bald möglichen Rückkehr ins Oberhaus konzipiert. Aber er unterstreicht die Erstligareife.

Dass dessen Rasen nach dem Aufstieg litt und sich manch ein Fan ein grünes Andenken sicherte, kann man im Verein verschmerzen. Jubel steht im Vordergrund und die Freude auf zahlreiche spannende Spiele mit Hochkarätern in Liga eins. 

Dazu gratulieren wir ganz herzlich.

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