Für Gunter Weyrich und sein Team von 1100 war der Umbau ein Projekt mit vielen Emotionen

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Darmstadt: Ein ganz besonderer Ort

DIE NEUE HAUPTTRIBÜNE DES SV DARMSTADT 98: Schon in der Planungsansicht ein Fanerlebnis Foto: 1100 ARCHITEKTEN RIEHM PISCUSKAS PartGmbB BDA

"Wir wollten die Seele des Stadions erhalten". Es sind ambitionierte Ziele, mit denen Gunter Weyrich und sein Team von 1100: Architekten an den Um- und Neubau des Stadions am Böllenfalltor rangingen. Vor rund sechs Jahren wurde das in Frankfurt am Main ansässige Büro, Teil des 1983 in New York gegründeten renommierten gleichnamigen Architekturbüros, mit der Umsetzung des Großprojekts betraut und koordinierte als Generalplaner seitdem alle architektonischen und bautechnischen Disziplinen. Für Weyrich, der schon viele eindrucksvolle Projekte etwa im Bereich Bildung, Kultur, Wohnbau und Gewerbe umgesetzt hat und der, wie er lachend erklärt, schon immer ein Stadion bauen wollte, sehr wohl eine Herausforderung. Allein schon aufgrund der Rahmenbedingungen: Es ging nicht nur darum, die Wünsche und Vorstellungen des SV Darmstadt 98 zu beachten, sondern auch zahlreiche andere Aspekte wie Sicherheit oder den Medienbereich und die damit verbundenen Anforderungen zu integrieren. Auch dass Teile des Stadions auf Kriegsschutt gebaut sind, musste berücksichtigt werden. Es war ein Umbau im laufenden Betrieb. In der Saison besuchten alle zwei Wochen rund 18.000 Fans zu den Spielen die Dauerbaustelle. Das machte die Sache nicht einfacher. Weyrich zollt dem Verein großen Respekt, der seinen Teil dazu beigetragen hat, dass alles vergleichsweise reibungslos über die Bühne ging.

GEIST UND SEELE DES STADIONS BEWAHREN: Durch Einbindung bereits existierender Elemente wie der Flutlichtanlage soll die Identifikation mit der Kultsportstätte auch nach der Modernisierung bewahrt bleiben. Foto: Guido Schiek /VRM
GEIST UND SEELE DES STADIONS BEWAHREN: Durch Einbindung bereits existierender Elemente wie der Flutlichtanlage soll die Identifikation mit der Kultsportstätte auch nach der Modernisierung bewahrt bleiben. Foto: Guido Schiek /VRM

Für Weyrich besaß vor allem das emotionale Element großen Einfluss auf das Projekt. ,,Dieser Ort ist schon sehr speziell und etwas ganz Besonderes", konstatiert er ehrfurchtsvoll. Es galt ,,respektvoll mit diesem Ort umzugehen". Doch dieser Faktor kam dem Architekturbüro 1100: Architekten entgegen, spiegelt es doch dessen Selbstverständnisses wider. Unser Anspruch ist es, zeitlose Architektur zu schaffen. Funktional, ästhetisch, aber vor allem eine Architektur, die zum Nutzer passt." Deshalb analysierten die Mitarbeiter erst einmal das Lilien-Umfeld. Klar war: Großangelegte Showeffekte sind hier fehl am Platz. Faszinierend waren für Weyrich und sein Team viel mehr die Bodenständigkeit des Vereins wie auch der Fans und ihre Identifikation mit ihrem Stadion. In diesem Zusammenhang erinnert er an die berühmte Gegengerade, auf der die Anhänger die Lilien bei Wind und Wetter anfeuerten und deren Abriss eben von den Anhängern entsprechende zelebriert wurde. Diese Nähe zur Kultstätte galt es abzubilden. Aus physisch baulicher Sicht gelang dies sicher dadurch, dass die Haupttribüne näher ans Spielfeld heranrückte, aber auch dadurch, dass man existierende Bestandteile wie die Flutlichtanlage nicht nur als Dekorations-, sondern auch als Funktionselement in den Umbau integrierte.

Froh ist er, dass der Verein bei der Reihenfolge der Umsetzung der einzelnen Bauabschnitte und -ein-heiten auf die Empfehlungen des Architekturbüros einging und so vergleichsweise wenige temporär aufgebaute Ausweichräumlichkeiten errichtet werden mussten. Das half auch denen, die auf die Räumlichkeiten, etwa das nun neue hochmoderne Funktionsgebäude, angewiesen waren und sind.

Das Projekt ist für das Architekturbüro nun fast abgeschlossen. Seine Begeisterung kann Weyrich trotz aller Schwierigkeiten, die die Modernisierung des Bölle mit sich brachte, nicht verhehlen. Will er auch nicht: ,,Diese sechs Jahre haben unheimlich viel Spaß gemacht."

Ein Ereignis blieb ihm besonders in Erinnerung. In einer Art ,,Sneak-Preview" hatte das Architekturbüro den Fanbündnissen vorab Planungsschritte vorgestellt. Man sei gespannt aber umso überraschter von dem positiven Feedback gewesen. Gerade weil die anwesenden Fans Teile ihrer Vorstellungen berücksichtigt sahen und sich dadurch mitgenommen fühlten. Dieser Austausch des Architekturbüros mit den Fanvertretern gab einen zusätzlichen Motivationsschub. Am Ende ist sich Weyrich sicher, das Emotionale des Fußballs im Allgemeinen wie auch des Böllenfalltors im Speziellen in den Umbau übertragen zu haben. (lie)

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