Was ein Uni-Abschluss als "Dipl.-Ing." heute noch bringt

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Reiner Titelstolz?

Diplom oder Master? Allein am Abschluss sollten Studienanfänger ihre Wahl für einen Ingenieursstudiengang nicht festmachen. Foto: Stefan Sauer / mag

Bereits vor mehr als 20 Jahren hat die deutsche Hochschullandschaft begonnen, sich auf das international vergleichbare Bachelor- und Master-System umzustellen. Dennoch gibt es nach wie vor einige Ausreißer: Unter den mehr als 20 000 Studiengängen in Deutschland konnten sich laut Statistik der Hochschulrektorenkonferenz Studierende immer noch für 180 Diplomstudiengänge an FH und Uni bewerben.

Gerade die Ingenieure scheinen sich nicht gänzlich vom Titel des "Dipl.-Ing." trennen zu wollen, der eine lange Tradition hat und auch im Ausland hohes Ansehen genießt. Sollte man sich als Studienanfänger davon beeindrucken lassen?

Bachelor, Master und Diplom - was ist eigentlich was?

In technischen Fächern schreibt man sich an der Mehrheit der Hochschulen zunächst in einen Bachelor-Studiengang der gewünschten Fachrichtung ein und erhält dann nach etwa sechs Semestern einen ersten berufsqualifizierenden Abschluss. Jetzt darf man sich bereits Ingenieur nennen. Nun kann man entweder gleich in den Beruf gehen oder noch einen Master anschließen, der nach etwa vier Semestern zu einer höheren fachlichen Qualifikation führt. Hierbei sind mittlerweile eine ganze Bandbreite von thematischen Schwerpunkten und Kombinationen möglich, so dass man sich sehr genau anschauen sollte, welche Inhalte die einzelnen Studiengänge behandeln.

Ein Diplom-Studiengang dagegen führt geradlinig in rund 10 Semestern zum Abschuss als "Diplom-Ingenieur" (kurz: Dipl.-Ing.) in einer einzelnen Fachrichtung und ist gleichwertig mit dem Master-Abschluss.

Was bringt das Diplom im Vergleich zum Master?

Beide Systeme haben ihre Vor- und Nachteile, findet Prof. Gerald Gerlach, Prorektor für Bildung der Technischen Universität Dresden. Die TU bietet sowohl Diplom-Studiengänge, als auch Bachelor- und Master-Studiengänge an. Oft wissen viele Erstsemester noch nicht genau, ob Ingenieurwesen wirklich etwas für sie ist oder in welchem Bereich sie sich spezialisieren möchten. "Dann ist es sicherlich erst einmal günstiger, mit einem Bachelor-Studiengang zu starten", sagt Gerlach. Gegebenenfalls kann man danach ein Master-Studium anhängen. So müssen Studienanfänger sich nicht sofort festlegen und können sich nach dem Bachelor noch mal orientieren.

Andererseits gibt es auch Studierende, die sich bereits sehr sicher mit ihrer Studienwahl sind. "Diesen empfehlen wir dann das Diplom, da sie so sehr stringent ihr Ziel verfolgen können, denn der Stress einer zweiten Bewerbungsphase um einen Master-Platz und die mögliche Wartezeit entfällt", rät der Prorektor. Auch hätten Diplom-Studierende mehr Zeit und weniger Stress, um Auslands- oder Praxissemester zu planen, während sich Bachelor- und Master-Studierende praktisch ab Tag eins des Studiums darum kümmern müssten, wenn sie alles in der Regelstudienzeit schaffen wollten, gibt Gerlach zu bedenken.

Gibt es nach dem Abschluss fachliche Unterschiede?

"Der Diplom-Ingenieur ist ein klar definiertes Berufsbild mit eindeutigen Qualifikationen, die bei Personalern im In- und Ausland bekannt sind", sagt Gerlach. Bei den Bachelor- und Masterstudiengängen gäbe es durch zahlreiche Fächerkombinationen und unterschiedlichen Namen der Studiengänge momentan keine solche Einheitlichkeit. "Gelegentlich mussten Absolventen sich da erst mal erklären." In puncto Fachkompetenz sehe er da aber keine Unterschiede, versichert er.

Saša Jacob, Referent für die Ingenieurausbildung beim Verein der deutschen Ingenieure (VDI), pflichtet ihm da bei: "Weder in Bezug auf die fachliche Kompetenz noch die Chancen auf dem Arbeitsmarkt nehmen wir irgendwelche Unterschiede zwischen den Absolventen wahr."

Und wie sieht es mit dem Gehalt aus?

Bei den Gehältern gibt es wohl Diskrepanzen. So kommt eine Studie des VDI, die Gehaltsentwicklungen der Ingenieure zwischen 2002 und 2019 untersucht hat, zu dem Schluss, dass die Einstiegsgehälter für Masterabsolventen im Schnitt am höchsten sind. Während ein Masterabsolvent einer Universität laut VDI im Jahr 2019 mit einem Jahresbrutto von 50 725 Euro einsteigen konnte, lag der Wert für Bachelorabsolventen in der Regel bei um die 45000 Euro. Die Diplomingenieure sortierten sich den Gehaltsdaten zufolge mit durchschnittlich 48 000 Euro dazwischen ein.

Was ist mit dem Prestige des Diplom-Ingenieurs?

Bei der Einführung der Bachelor- und Master-Studiengänge gab es viel Kritik und Verunsicherung, man fürchtete um den Verlust eines Markenzeichens deutscher Ingenieurskunst. Dies scheint sich allmählich gelegt zu haben. "Unter Branchenvertretern nehmen wir eigentlich keine Unterschiede mehr zwischen den Abschlüssen wahr. Das Ingenieurstudium ist nach wie vor international angesehen. Daran hat auch nach 20 Jahren Bologna-Reform der Abschlusstitel Master nichts geändert", erklärt Saša Jacob.       mag

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