ANZEIGE

Martin Proba, Leiter des Geschäftsbereichs Unternehmen der IHK Darmstadt Rhein berichtet über die Automobilbranche und deren Entwicklung

Martin Proba ist Leiter des Geschäftsbereichs Unternehmen und Standort der Industrie- und Handelskammer (IHK) Darmstadt Rhein Main Neckar. Foto: Klaus Mai

Die Zukunft der Mobilität: IHK-Experte Martin Proba gibt Prognose

Wo sehen Sie die Trends beim Thema Mobilität?

Mobilität wird zunehmend vernetzt gedacht. Dabei wird zunehmend mehr die Frage nach dem schnellsten, dem günstigsten oder ökologischsten Weg gestellt. Das Verkehrsmittel wird dem untergeordnet. Da konkurriert das Auto mittlerweile mit dem Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV), wenn er funktioniert und bei schönem Wetter mit dem E-Bike.

Wie wirkt sich das auf die Automobilbranche aus?

Der Trend zu mehr Ökologie hat Auswirkungen auf die Antriebe von Fahrzeugen, wenngleich da nicht der gesellschaftliche Trend der Antrieb ist, sondern der Gesetzgeber, der Verbrennungsmotoren verbannen will. Aber: Nutzung und Infrastruktur für den Autoverkehr sind regional unterschiedlich. Dem muss Rechnung getragen werden.

Wie sieht es in der Region aus mit E-Lademöglichkeiten?

Für die bestehende E-Fahrzeugflotte scheint die Infrastruktur ausreichend. Bundesweit gibt es über 74000 Ladesäulen, die allerdings nur zu 15 Prozent ausgelastet sind. Das hängt auch damit zusammen, dass E-Fahrzeuge noch nicht die Marktdurchdringung haben, die sich die Bundesregierung zum Ziel gesetzt hat. Ein Grund dafür ist sicherlich, dass E-Antriebe eher in den Premiumsegmenten der Hersteller angeboten werden. Zudem gibt es noch wenige massentaugliche E-Autos. Außerdem sind meist die Lieferzeiten sehr lang.

Wird sich die Rolle der Autohäuser verändern?

 Ich denke, dass Autohäuser den ökologischen Wandel nachvollziehen werden und sich deren Produktpalette verändert. Autohäuser sind für die Zukunft sicher gut beraten, sich am Bedarf des Nutzers zu orientieren: Für den Familienausflug am Wochenende und die Urlaubsfahrt brauche ich ein anderes Fahrzeug als für die Pendlerstrecke von Heppenheim nach Viernheim. Auch wenn in Deutschland das Auto noch Statussymbol ist, wird der Kunde der Zukunft Mobilität kaufen und über das Jahr verschiedene Verkehrsmittel nutzen - vielleicht auch das E-Bike aus dem Autohaus...

Wo wird am meisten investiert in der Automobil-Entwicklung? Ins autonome Fahren, in neue Antriebe und Speichersysteme, in die Einbettung in das Internet der Dinge?

Die technischen Lösungen für die genannten Felder sind da, werden ständig verbessert und verfeinert. Die reine Automobil-Entwicklung steht. Es ist jetzt die Infrastruktur, die nachziehen muss, z. B. Verkehrssteuerungssysteme, die Verkehrsströme dynamisch leiten. Die Geschwindigkeitsregelung an der A5 zwischen Darmstädter Kreuz und Darmstadt-Eberstadt ist hier nur ein Anfang. Mit vernetzten Ampelanlagen und Verkehrsschildern ist eine wirkliche Verkehrssteuerung möglich, die notwendigen Daten sind über die Navigationsgeräte in Fahrzeugen schon lange vorhanden.

Wann werden bei uns in der Region fahrerlose Fahrzeuge am Straßenverkehr teilnehmen?

Die Fahrerassistenzsysteme sind bereits sehr weit. Wer allerdings schon einmal erlebt hat, dass man sich Baustellen, in denen die Fahrbahnmarkierungen abgefahren sind, aktiv dem Spurhalteassistenten entgegenstellen muss, um nicht in die Leitplanke zu fahren, weiß, dass es immer noch den aufmerksamen Fahrer braucht. Insofern sehe ich das fahrerlose bzw. vollautomatisierte Automobil in ferner Zukunft - anders als bei U- und S-Bahnen, die schon vielerorts fahrerlos unterwegs sind.

Eröffnen sich mit der Digitalisierung und Automatisierung Chancen für mehr Verkehrssicherheit?

Ja. Fahrerassistenzsysteme helfen schon jetzt aktiv, die Verkehrssicherheit zu verbessern. Es gibt Hersteller, deren Credo es ist, dass durch ihre Fahrzeuge keine Personen mehr zu Schaden kommen. Das ist ein erstrebenswertes Ziel für alle, wenngleich da auch immer noch der Faktor Mensch eine Rolle spielt.

Mehr als 50 Prozent aller Wege legen die Menschen in Hessen im Auto zurück. Wie wird sich der Pkw-Verkehr in den nächsten Jahren in der Region entwickeln?

Das regelt der Markt. Es ist allerdings nicht nur eine Frage der Kraftstoffpreise und des 49-€-Tickets, sondern auch der Attraktivität der Alternativsysteme. Wenn der ÖPNV flächendeckend ein attraktives Taktangebot macht, werden mehr Menschen umsteigen". Ebenso werden Leihsysteme für Fahrräder dann genutzt, wenn sie komfortabel und flächendeckend Leihstationen vorhanden sind.

In Großstädten etablieren sich Carsharing- und Leihfahrrad-Systeme. Verliert das eigene Auto an Wichtigkeit?

Carsharing ist sicherlich attraktiv, daher ist es für mich unverständlich, dass sich große deutsche Automobilhersteller aus diesem Markt verabschiedet haben. Fahrrad ist - wenn auch vermeintlich wetterabhängig - immer eine Alternative in der Stadt, zumal viele Städte ihre Verkehrsinfrastruktur mehr und mehr auch auf Fahrradverkehr ausrichten. Dennoch braucht es ein leistungsfähiges innerstädtisches Verkehrssystem. Das muss nicht immer die U-Bahn oder Straßenbahn sein, in Mannheim sehen wir, dass mit der BUGA auch Seilbahnen eine Option sind, und vielleicht sind es auch kleineres ,,Hop-on-Hop-off-Systeme" in Fußgängerzonen. Außerdem gibt es ja noch die ON-Demand-Verkehre und schließlich ist Mobilität natürlich auch eine Frage der Stadtentwicklung, Stichwort: die Stadt der kurzen Wege.

(Die Fragen stellte Jens Kowalski.)

Lesen Sie jetzt