Ein Rolls Royce 20 HP und seine spannende Geschichte

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Mit dem Maharadscha auf Tigerjagd 

Nicht auf Tigerjagd mit seinem Rolls Royce 20 HP geht der aktuelle stolze Besitzer. Foto: Michel Lang

„Achtung bitte, der Lack!“, warnt der Eigentümer höflich. Man merkt ihm die Sorge um sein gepflegtes Schätzchen der Oberklasse an. Komisch, wo doch der Maharadscha von Gwalior diesen Wagen sogar im Gelände auf der Pirsch nach Tigern und Enten eingesetzt hat. Doch der Reihe nach.Bevor der Wagen mit der berühmten Emily auf der Kühlerhaube in die Hände des aktuellen Eigners überging, hat die stattliche Karosse einiges erlebt. Sein erster Besitzer war der erwähnte Maharadscha von Gwalior, dessen Sohn ebenso den automobilen Schatz durch die Reisfelder trieb und Jagden damit unternahm. Was kostet die Welt. Geländewagen gab es in diesem Sinne ja noch nicht, außer Ochsenkarren. Standesgemäß ließ man diese außen vor. Dann ging der flotte Bursche an den Emir von Hydarabad, einen nahen Verwandten, der als Premierminister reüssierte und zudem als reichster Mann der Welt zu dieser Zeit gegolten hatte. Bis 1971 blieb der 20 HP im Eigentum dieser fürstlichen Familie. Nun führte das Schicksal den Kleinen unter den Großen nach Österreich, wo er eine Zeit verweilte, bis er plötzlich und unerwartet in Schwetzingen auf einer Oldtimer-Börse auftauchte. Dort hat sich der aktuelle Besitzer im vergangenen Herbst in den grünen Gesellen verguckt, obwohl er eigentlich für einen gelben Pontiac schwärmte. Auch dieser steht nun in der Garage in Südhessen und ist, wie der Rolls Royce, keinesfalls reanimationspflichtig, sondern fährt ohne Furcht und Tadel los.1980 hat der HP ein neues Verdeck bekommen, denn der Gute ist Vollcabrio und Limousine in Personalunion. Eine Trennscheibe riegelt die Fahrerkabine schallisoliert ab, damit sich die Herrschaft ungestört unterhalten kann. Ein wegklappbares rundes Scheibchen erlaubt Anweisungen an den Chauffeur. „Schneller bitte!“, könnte es geheißen haben. „Dem Tiger hinterher!“, hieß damals wohl auch eine gern gewählte Option der deutlichen Ansagen.Chauffeure waren notwendig, da das Fahren anspruchsvoll war. Zum Laden muss die Batterie extra per Schalter aktiviert werden, ein anderer Knopf regelt die Stellung der Kühlerlamellen. Da gilt es, exakt das Thermometer zu beobachten. Alle Holme sind versenkbar, damit sie optisch und haptisch nicht stören. Die in den 1920er Jahren entwickelten Kurbelfenster lassen sich nicht über eine solche bedienen, sondern werden mit Griffen, die den damals üblichen Kutschen entsprechen, bewegt. Die Karosserie stammt von der Firma Barker aus London, da Royce erst ab Mitte der 1920er Jahre welche erzeugte.Was fasziniert den Liebhaber aus Südhessen noch? „Dass alles am Motor von Rolls Royce stammt. Lenkgetriebe, Vergaser, Lichtmaschine. Außer den Zündkerzen und ein paar Verteilerdeckelchen. Auch kann ich noch alles über den Wagen nachlesen und sämtliche Ersatzteile erhalten. Das ist großartig!“Gegenüber dem Rolls Royce Silver Ghost, der satte 7 Liter Hubraum aufweist, verfügt dieses kleine Brüderchen, von dem zwischen 1922 und 1929 edle 2940 Stück hergestellt wurden, jedoch über bescheidene 3,1 Liter Hubraum, 50 PS und eine aktuelle Höchstgeschwindigkeit von 80 Kilometern. Gut so, der flotte Feger hat nur Hinterradbremsen! Die Länge von etwas über 4,50 Meter kann sich sehen lassen und muss sich nicht verstecken.Verstecken muss sich auch der Besitzer nicht, aber der ist ebenso bescheiden und möchte namentlich nicht erwähnt werden. Seit letzten Herbst jedenfalls ist dessen automobiles Glück komplett. Der kleine, grüne Gigant ist dafür verantwortlich. Wenn der tolle Typ hupt, flammt die TV-Serie „Die Waltons“ im Gedächtnis auf. Die hatten übrigens einen Ford AA in Besitz. Für einen Rolls Royce reichte das Geld natürlich nicht. mil    

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